Osteoporose und Schmerz
J. Franke
Schmerzen bei Osteoporose, besonders Rücken- und Kreuzschmerzen, treten trotz häufig geäußerter anderer Meinung erst nach Wirbelkörperbrüchen oder -kompressionen auf. Dabei findet man aber auch immer wieder Patienten mit durchgemachten, osteoporotisch bedingten Wirbelkompressionen, die keine Schmerzen haben und nie hatten.
Schmerzen bei Osteoporose entstehen durch: 1. akute Schmerzen durch Frakturen, 2. Form- und Gefügestörungen im Knochen (auch Nervenversorgung) oder Periost (Wirbelsinterung und Mikrofrakturen), 3. Muskel- und Muskel-Sehnenansatz-Schmerzen und Fascettengelenkschmerzen sekundär durch die Fehlstellung der Wirbelsäule (Kyphose der Brustwirbelsäule, Hyperlordose der Halswirbelsäule, Hyperlordose oder Steilstellung der Lendenwirbelsäule), 4. Rippenrand-Beckenkamm-Schmerz und epigastrischer Druck durch Rumpfverkürzung und Kyphose.
Klinisch lassen sich oft ein lokaler Druck- und Klopfschmerz der Dornfortsätze, schmerzhafte Myogelo-sen, ein Druckschmerz über den Fascettengelenken der Wirbelsaule, ein Erschütterungsschmerz sowie ein Thoraxkompressions- und indirekter Wirbelsäulenbelastungsschmerz nachweisen.
Die Folgen der Osteoporoseschmerzen sind: Schonung des neuromuskulären Systems und damit Schwächung der Muskulatur, durch diese Inaktivität weiterer Abbau von Knochensubstanz und Verstärkung bzw. Chronifizierung der Schmerzen.
Wie bei jeder mit starken Schmerzen einhergehender Erkrankung kommt es auch bei der Osteoporose zu einer starken psychischen Beeinflussung der Patienten (Angst, depressive Reaktionen, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit). Diese psychischen Abläufe beeinflussen über das vegetative Nervensystem die Schmerzen. Die sozialen Folgen der chronischen Osteoporoseschmerzen sind deutliche Behinderungen in den Aktivitäten des täglichen Lebens, Vereinsamung, soziale Isolation, die Patienten verlieren ihre Selbständigkeit, sie werden abhängig von der Hilfe Dritter.
Eine komplexe Osteoporosetherapie beinhaltet neben der ätiologischen oder pathogenetischen medikamentösen Therapie die Schmerzbehandlung, die psychologische Betreuung, orthopädisch-chirurgische Maßnahmen und Steigerung der körperlichen Aktivität.
In der medikamentösen Schmerztherapie richten wir uns weitgehend nach dem WHO-Stufenschema, wobei wir uns nicht scheuen, bei schweren akut schmerzhaften Zuständen (nach frischen Wirbelfrakturen) Opioide (Temgesic, Durogesic-Pflaster) anzuwenden, die wir in der subakuten Phase dann langsam abbauen. Die bislang geübte Schmerzbehandlung von akuten Osteoporoseschmerzen mit Calcitonin-injektionen/-infusionen tritt bei uns immer mehr in den Hintergrund.
Weiterhin stehen zur Schmerzbehandlung physikalisch-balneologische Möglichkeiten, Akupunktur, Infiltrationstherapie, Bewegungstherapie und psychologische Betreuung zur Verfügung. Die Schmerztherapie unterscheidet sich in der akuten Phase der Osteoporose (nach frischen Wirbelfrakturen) von der in der chronischen Phase.
In der akuten Phase empfehlen wir gelockerte Bettruhe, intensive Schmerzbehandlung und möglichst schnelle Mobilisation. Dazu trägt ein elastisches Stützmieder zur Wiederherstellung der Ballonfunktion des Abdomens bei.
In der subakuten und chronischen Phase empfehlen wir ein intermittierendes Ruheregime. Hier setzt die intensive physikalische Therapie ein und es beginnt auch schmerzabhängig die Erhöhung der physikalischen Aktivität: anfangs mit Spaziergängen, Schwimmen, isometrische Übungen und Unterwasserbewegungsbehandlung, später intensive Übungstherapie, Gleichgewichtsübungen und spezielle medizinische Trainingstherapie. Bei Osteoporosepatienten ist die Wirkung von sportlicher Aktivität auf die Knochenmasse nicht sicher. Zahlreiche klinische Studien zeigten unterschiedliche, meist marginale Ergebnisse. Trotzdem erhöht körperliche Aktivität die Muskelkraft und verbessert die Mobilität, die Koordination, die Reaktion, die Leistungsfähigkeit des kardiovaskulären Systems, vermindert die Schmerzen und senkt damit das Sturz- und Frakturrisiko.
Hilfreich und zur komplexen Osteoporosetherapie gehörend ist auch eine psychologische Betreuung der Patienten. Wichtig ist die soziale Wiedereingliederung der durch chronische Schmerzen oft vereinsamten Osteoporosepatienten. Hilfestellung leisten hierbei die zahlreichen Selbsthilfegruppen.
Artikel aus Zeitschrift OSTEOLOGIE Band 10, Suppl.1, 2001
Prof. Dr. med. habil. Jürgen Franke
Rehaklinik an der Salza, Rehazentrum für Osteoporose
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