Dr. Dietmar Krause
Die Osteoporose ist eine Erkrankung, die sich langsam und deshalb meist unbemerkt fortentwickelt. Oft fällt sie erst durch Schmerzen auf. Diese Schmerzen können zunächst akut sein, dann aber chronisch werden.
Akute Schmerzen entstehen beispielsweise nach einem Knochenbruch, der häufig erst zu der Entdeckung der Krankheit führt. Meist sind es Wirbelkörpereinbrüche, die heftige Rückenschmerzen auslösen. Durch den Bruch verändert sich die äußere Form der Wirbelkörper. Dabei wird die Knochenhaut, die den Knochen umschließt, überdehnt oder verletzt. Die Knochenhaut enthält – anders als der Knochen selbst – Nervengewebe, was die Schmerzempfindung möglich macht. Außerdem kann es zu Verletzungen der Knochen umgebenden Weichteile kommen, die ebenso Schmerzen auslösen. Diese akuten Beschwerden sind in den ersten Tagen sehr stark, lassen aber meist nach ein paar Tagen oder Wochen nach.
Im Gegensatz dazu sind chronische Schmerzen ein Dauerzustand. Unbehandelt schreitet die Osteoporose fort. Es kommt immer häufiger zu Wirbelkörpereinbrüchen. Die Statik der Wirbelsäule verändert sich. Der Rücken wird runder. Die Körpergröße schrumpft. Durch diese Veränderungen kommt es zu einer dauerhaften Fehlstellung wichtiger Elemente der Wirbelsäule. Bänder und Sehnen werden permanent gereizt, die Muskulatur überlastet. Sie verspannt sich und löst ihrerseits Schmerzen aus. Die chronischen Schmerzen haben ihren Sinn als Warn- und Schutzfunktion verloren. Sie zermürben körperlich und geistig. Der Schmerz wird allmählich zu einem eigenständigen Krankheitsbild, das unbedingt zu behandeln ist.
Die frühzeitige Behandlung der Schmerzen ist oberstes Gebot bei Osteoporose. Denn nur so kann zusätzliches Leid vermieden werden. Eine wichtige Voraussetzung für eine Schmerztherapie ist die genaue Kenntnis der Schmerzursache und der stärke. Schmerzen sind etwas sehr Individuelles. Jeder Mensch empfindet sie anders.
Es hat sich daher bewährt, die Stärke der Beschwerden mit Hilfe einer visuellen Analogskala (VAS) zu ermitteln. Der Arzt lässt den Patienten dazu auf einer Linie von links (kein Schmerz) nach rechts (stärkste vorstellbare Schmerzen) mit einem Schieber einschätzen, wie stark der momentane Schmerz ist. Auf der Rückseite kann die vom Patienten geschätzte Schmerzstärke mit Hilfe einer Skala von 0 bis 10 (Stärkste Schmerzen) abgelesen werden. Diese Einschätzung gibt dem Arzt wichtige Hinweise auf die Art und Dosierung der einzusetzenden Schmerzmittel.
Die Behandlung akuter Schmerzen wird bei mäßigen Beschwerden zunächst mit einem Schmerzmittel eingeleitet, das vor allem im peripheren Nervensystem ansetzt – also dort, wo Schmerzreize wahrgenommen werden. Zu den bekanntesten Wirkstoffen gehören Diclofenac oder Ibuprofen. Sie bewirken, dass die Zahl der Nervenimpulse aus den Schmerzrezeptoren sinkt und die Schmerzempfindung nachlässt. Neben der rasch eintretenden schmerzlindernden Wirkung haben diese zu den nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) zählenden Wirkstoffe auch eine antientzündliche Wirkung. Für den dauerhaften Einsatz sind NSAR wegen der Nebenwirkungen auf den Magen-Darm-Trakt allerdings nicht geeignet. Bei starken und stärksten Schmerzen ist auch die kurzfristige Einnahme schwach oder stark wirksamer Opioide möglich.
Die Injektion von lokalen Schmerzmitteln, so genannten Lokalanästhetika, kann den frühzeitigen Beginn einer krankengymnastischen Übungsbehandlung unterstützen. Sie setzen die Erregbarkeit der Nervenfasern im Bereich der Hauptschmerzpunkte herab und erhöhen die lokale Durchblutung. Es ist jedoch zu beachten, dass Lokalanästhetika eine zeitlich begrenzte Wirkung von etwa sechs bis acht Stunden haben.
Die Behandlung chronischer Schmerzen orientiert sich immer noch nach den 1986 ursprünglich für die Therapie von Tumorschmerzen aufgestellten Regeln der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die WHO unterscheidet drei Stufen der medikamentösen Behandlung. Die Medikamente in Stufe I des WHO-Schemas wirken schmerzstillend, fiebersenkend und zum Teil auch entzündungshemmend. In diese Gruppe gehören beispielsweise die Acetylsalicylsäure (ASS), Diclofenac, Ibuprofen oder die Coxibe. Wird mit diesen Wirkstoffen keine ausreichende Linderung erzielt oder müssen die Medikamente längere Zeit eingenommen werden, empfehlen sich die Wirkstoffe der Stufe II. Hierbei handelt es sich um schwache Opioide, wie Tilidin. Reichen auch diese Medikamente nicht aus, werden die Beschwerden mit starken Opioiden der Stufe III wie Fentanyl, Morphin oder Hydromorphon bekämpft.
Voraussetzung für eine dauerhafte Schmerzfreiheit bei chronischen Schmerzen ist die regelmäßige Einnahme der Medikamente nach einem festen Zeitplan. Die Einnahme des nächsten Schmerzmittels muss immer erfolgen, bevor das vorherige Medikament ausgewirkt hat. Nur so ist eine permanente Schmerzfreiheit gewährleistet. Die Wirkdauer der Arzneimittel sollte möglichst lang sein, damit die Patienten nicht ständig an die Therapie denken müssen oder gar den Nachtschlaf wegen der Einnahme unterbrechen müssen. Außerdem ist es wichtig, Mittel zu verwenden, deren Wirkstoff langsam und gleichmäßig an das Blut abgegeben wird. So ist eine dauerhafte und gleichmäßige Schmerzlinderung garantiert und die Gefahr eine psychische Abhängigkeit gebannt.
Die Schmerzfreiheit ist nicht nur für den Körper und die Psyche der Patienten außerordentlich wichtig. Sie ermöglicht oft erst die Behandlung mit krankengymnastischen Übungen. Krankengymnastik und physikalische Therapien unterstützen wiederum die Schmerzbehandlung. Durch erfolgreiche Therapieprogramme können langfristig Schmerzmittel eingespart werden. Auch kognitive Verfahren und Entspannungsübungen, wie die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson, zählen zu den schmerztherapeutischen Verfahren.
Der Osteoporoseschmerz ist für die meisten Betroffenen das bestimmende Merkmal ihrer Krankheit. Der Dauerstress „Schmerz“ führt bei ihnen sehr oft zu Erschöpfung, depressiver Stimmung und Hilflosigkeit – ein Teufelskreis, der die Schmerzen aufrechterhält und verschlimmert. Mit einer gezielten Schmerztherapie kann der dieser Teufelskreis durchbrochen werden. Eine Chance, die sich niemand entgehen lassen sollte.
Dies gemeinsam mit anderen Betroffenen anzupacken, steigert die Effektivität der medikamentösen Behandlung wie Untersuchungen mittlerweile bewiesen haben. In Selbsthilfegruppen kann man auch über Probleme, die die Erkrankung mit sich bringt, sprechen. Dort erhält man Informationen, kann Vorträge von Fachleuten zum Thema hören und Fragen stellen. Deshalb sind hier die besten Voraussetzungen gegeben, Verständnis und Unterstützung zu finden